Fotos und Text von Hanna Lohmann
Im November haben wir mit einer kleinen Gruppe unsere Backstube in Sukuta besucht. Von außen sieht sie gar nicht viel anders aus, als eine Essener Filiale und auch innen ist auf den ersten Blick alles wie immer: viel orange, breites Sortiment, freundliche Mitarbeiter.
Und doch liegt uns diese Backstube und die Verkaufsräume besonders am Herzen. Sukuta ist eine Stadt in Gambia, eines der ärmsten Länder in Westafrika. Zwar ist Brot hier – gleich nach Reis – eins der wichtigsten Grundnahrungsmittel, doch die Qualität und Verfügbarkeit sind wirklich ein Problem.
So ist das vor Ort verfügbare Brot oft labberig und wird manchmal schon nach wenigen Stunden steinhart. Das hat verschiedene Gründe, zum Beispiel variiert die Qualität der Zutaten stark, außerdem arbeiten die Bäcker mit Holzbacköfen, deren Temperatur sie nicht gut kontrollieren können und auch ist enzymhaltiges “Wunderpulver” weit verbreitet. Damit sehen Brote zwar zunächst schön aus und gelingen fast immer – sie halten aber nicht, was sie versprechen.
In der Bäcker Peter-Backstube in Sukuta wollen wir die gleiche Qualität anbieten, wie in Essen – und zum Teil auch die gleichen Produkte. Wer sich jetzt fragt, ob Afrikaner gerne Stutenkerle oder Roggenmischbrot essen, muss wissen, dass es in Gambia viele Touristen und Europäer gibt, die in Gambia eine zweite Heimat gefunden haben. Und die freuen sich über ein richtiges “Deutsches Brot” (so wie wir nach drei Wochen Holland-Urlaub!). Unsere langfristige Idee ist es, in der Backstube ein europäisches Sortiment anzubieten, vielleicht sogar mit regelmäßigen Lieferungen in die vielen Hotels. Die Gewinne aus dem Verkauf möchten wir nutzen, um hochwertiges Brot zu backen, in der Art wie es die Einheimischen lieben – natürlich ohne Wunder-Pulver. Unsere Backstube steht nämlich auf dem Gelände des Ausbildungsrestaurants “BlueKitchen”. Das betreibt ein Deutscher, der seit vielen Jahren in Gambia lebt. In Gambia gibt es keine Ausbildung, wie in Deutschland. Deshalb ist das BlueKitchen ein besonderer Ort: Hier lernen junge Menschen nämlich das Kochen und das Kellnern – und bekommen dafür sogar ein kleines Gehalt. Sind sie ausgelernt, bekommen sie ein Zertifikat, mit dem sie sich in anderen Gastronomien im Land bewerben können. Die Gewinne aus dem Restaurant nutzt der deutsche Betreiber, Heinz Bohrmann, nicht für sich selbst. Er organisiert regelmäßig eine Armenspeisung in zwei Gesundheitsstationen. Dort werden belegte Brote an schwangere Frauen und junge Mütter ausgegeben. Das ist wichtig, denn in gambischen Krankenhäusern und Geburtskliniken gibt es keine zentrale Küche und viele Menschen im Land sind mangel ernährt. Durch die Speisung bekommen die Frauen und so ihre Babys eine kleine Grundlage im Bauch.
Dieser Ansatz hat uns gleich überzeugt, als wir Heinz Bormann kennengelernt haben. Er organisiert nämlich in Gambia die Rallye Dresden-Dakar-Banjul mit. Die Teilnehmer (so auch wir) fahren dabei durch halb Europa, Marokko, Mauretanien und Senegal nach Gambia. Dort werden die Autos versteigert – der Erlös finanziert Heinz’ Projekte. Viele freuen sich einfach, wenn sie angekommen sind und etwas Gutes geleistet haben. Die meisten schauen sich aber auch an, was mit dem Geld passiert, dazu gehören Besuche in den Schulprojekten, die Heinz hat und natürlich essen die Teilnehmer gerne im “BlueKitchen”, weil sie so die Ausbildungsküche unterstützen und ganz nebenbei ziemlich gut speisen.
Als wir bemerkt haben, dass die Brote für die Armenspeisung in den örtlichen Bäckereien gekauft werden und wie unterschiedlich die Qualität ist, begannen wir einen Plan zu schmieden. Und so steht seit zwei Jahren ein Elektrobackofen, der in Essen ausgedient hat, in Gambia. Auch Teig- und Knetmaschinen und die gesamte Ausstattung haben wir nach Afrika verschifft und vor Ort – gemeinsam mit Heinz natürlich – die wohl modernste Backstube Gambias gebaut. Mit einer Verkaufstheke und orangenen Vorhängen. Also ganz so, wie man unsere Läden aus Essen kennt.
Zwei Mal im Jahr fahren wir nach Gambia und tun das, was wir am liebsten machen: Backen. So auch im November. Wir haben ein paar sehr motivierte junge Bäcker vor Ort, die gute Produkte machen und sehr wissbegierig sind. Wir tauschen uns aus und lernen von einander. Manche Probleme sind ganz anders, als in Deutschland. Zum Beispiel ist es in Gambia immer recht heiß, was Einfluss auf viele Abläufe und die Lagerung von Zutaten hat. Anderseits sind viele Zutaten gar nicht erst verfügbar und wir müssen improvisieren. So überlegen wir immer gemeinsam, welche Zutaten es vor Ort günstig zu kaufen gibt. Bananen und Erdnüsse zum Beispiel, die gibt es in Gambia das ganze Jahr. Es macht viel Freude, sich mit unserem Personal auszutauschen und manchmal auch zu merken, dass einige Probleme 6000 Kilometer entfernt gleich sind. So schaute letztens jemand von der Gemeindeverwaltung vorbei, und fand, dass wir besser auf Edelstahl kneten sollen, statt auf Holz. Diese Diskussionen kennen wir aus Deutschland und irgendwie ist es kurios, dass man so weit weg die gleichen Fragestellungen hat, und als Bäcker mit einem Beamten über Hygiene diskutieren muss.
Ein weiteres Projekt von Heinz Bormann ist eine kleine Arztpraxis, hier arbeitet Saul, ein sehr engagierter Krankenpfleger. Pfleger haben in Gambia ganz andere Aufgaben als in Deutschland, da es kaum Ärzte gibt, stellen sie Diagnosen und führen Behandlungen durch. Saul hat sich zudem der Aufklärungsarbeit verschrieben. Er weiß, dass es kulturell bedingt schwierig ist, über manche Themen in Gambia einfach so zu reden, deshalb organisiert er Fußball-Turniere und erzählt in der Halbzeit über sexuell übertragbare Krankheiten. Das System scheint uns unorthodox, doch es kommt gut an. Genau so gibt es eine Ausbildungsschneiderei für Mädchen. Schneidern ist traditionell Männeraufgabe in Gambia, aber in Sauls Projekt arbeiten junge Frauen an den fußbetriebenen Maschinen. Sie nähen unter anderem Taschen mit – natürlich – knallorangenen Trägern. Die verkaufen wir in unseren Filialen in Essen. Das ist ein tolles Geschenk, made in Gambia, das Gutes schafft. Denn von dem Erlös kaufen wir neuen Stoff für die angehenden Schneiderinnen. Wenn sie gut nähen können, gibt es einen Abschlusstest. Auch hier wird nicht nur Wissen über Garn und Nadel abgefragt, sondern Saul klopft auch ab, ob die Mädchen ihm zugehört haben, und aufgeklärt sind. Wer besteht, darf eine Nähmaschine mit nach Hausenehmen und sich selbstständig machen.
Natürlich können wir die Welt nicht ändern, mit unserer einen Backstube und den paar hundert Taschen, die wir jedes Jahr von Gambia nach Deutschland bringen. Bei unseren Reisen vor Ort haben wir aber jedes Mal das Gefühl, dass unsere Projekte dazu beitragen, dass ein paar Menschen in Gambia eine Perspektive bekommen. Was uns besonders antreibt ist, dass wir nicht einfach Geld spenden, sondern durch den Wissensaustausch in der Backstube auf Augenhöhe arbeiten und den Menschen das Handwerkszeug vermitteln, sich selbst zu helfen. Die Taschenproduktion trägt sich selbst. Der Gewinn von dem Verkauf in Deutschland reicht, um neue Stoffe vor Ort zu kaufen und so für Aufträge für die jungen Schneiderinnen zu sorgen. Oft bekommen wir die Rückmeldung, dass junge Menschen in der Bäckerei und der Schneiderei einen Ansatz für eine Zukunft in Gambia sehen. Vor dem Hintergrund, dass auch aus Gambia viele Menschen über das Mittelmeer nach Europa flüchten, weil sie eben keine Perspektive vor Ort sehen, bekämpfen wir also Fluchtsachen vor Ort, mit genau dem, was wir am liebsten tun und am besten können: Backen.